Zurück in die Zukunft – Was bewirken Rückkehrende in Spremberg und Zeitz?
Unser Magazin »Zurück in die Zukunft – Was bewirken Rückkehrende in Spremberg und Zeitz?« ist Ergebnis des BBSR-Projekts »Willkommenssalons«. Wir haben von September 2023 bis Dezember 2024 Wünsche und Bedürfnisse von Menschen untersucht, die in die ostdeutschen Braunkohleregionen rund um Spremberg in Brandenburg und Zeitz in Sachsen-Anhalt zurückgekehrt sind. Ziel des Projektes war es, Ideen und Maßnahmen zu identifizieren, die mehr Menschen motivieren, in ihre Heimatregionen zurückzukehren. Dabei geht es darum, wie eine lebenswerte, nachhaltige und demokratische Zukunft in diesen Regionen gestaltet werden kann – eine wichtige Aufgabe der Raumplanung und Regionalpolitik. Weg von einer negativen Sicht auf den Bevölkerungsrückgang hin zu einer Perspektive, die die Chancen und Möglichkeiten dieser Regionen in den Mittelpunkt stellt. Dafür wurden Empfehlungen in verschiedenen Bereichen entwickelt, darunter Bildung, Leerstandsmanagement, lokale Wirtschaftsförderung sowie Vernetzung und Kommunikation. Diese sollen Kommunen, Unternehmen, Vereinen und anderen Akteuren helfen, die Herausforderungen in diesen Regionen erfolgreich anzugehen.
In den für die Studie exemplarisch ausgewählten Städten Spremberg (Landkreis Spree-Neiße, Brandenburg) und Zeitz (Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt) wirken sich die starke Abwanderung seit dem Mauerfall und der fortschreitende demographische Wandel nach wie vor – und zunehmend – negativ auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung aus. Diese beiden Städte und die sie umgebenden Regionen können exemplarisch für weltweit fortschreitende Schrumpfungsprozesse stehen und bieten einen Blick in die Zukunft vieler anderer Regionen Deutschlands und Europas.
Das Forschungsprojekt „Willkommenssalons zur Analyse der Bedarfe und Wünsche Rückkehrender in die ostdeutschen Braunkohlereviere“ wird vom Institut für Resilienz im ländlichen Raum mit Sitz in Annahütte/OSL durchgeführt und findet im Auftrag des Kompetenzzentrums Regionalentwicklung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Cottbus statt: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/weitere/staerkung-kohleregionen/willkommenssalons/01-start.html
Regionen mit rückläufigen Bevölkerungszahlen als Experimentierfelder der Postwachstumsgesellschaft
Der demographische Wandel und seine praktischen Konsequenzen für die Menschen, Verwaltungen, Vereine, Firmen in den untersuchten Städten entwickelte sich im Verlauf des Projektes von einer Hintergrundfolie zu einem dominanten Themenkomplex – nicht zuletzt aufgrund der eindrucksvollen Schilderungen der Bürgermeisterinnen von Zeitz und Spremberg, Kathrin Weber und Christine Herntier. Umso deutlicher wurde es, dass Rückkehrerinnen und Rückkehrer in ländliche Regionen in diesem Kontext wichtige Erkenntnisse liefern und eine Schlüsselrolle einnehmen können, wenn es darum geht, herauszufinden, wie ein Leben und Arbeiten in diesen Städten unter den Bedingungen einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung aussehen kann. In diesen Regionen sind die demografischen Veränderungen nicht nur sichtbarer als in anderen Teilen des Landes, sondern sie stehen auch vor neuen Herausforderungen durch den wirtschaftlichen Strukturwandel und die damit einhergehenden Anforderungen an Bildung, (digitale) Infrastruktur und Arbeitsplätze. Rückkehrende kehren somit nicht nur in ihre Heimat zurück, sondern auch in Gebiete, die dringend innovative Fachkräfte und Ideen benötigen, um den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen. Die im Rahmen des Projektes interviewten Rückkehrenden haben beispielhaft aufgezeigt, wie sie sich in ihrer konkreten Situation dafür einsetzen, eine zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten, die den Anforderungen einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft gerecht wird.
Die untersuchten Städte Zeitz und Spremberg, aber auch andere von starkem Bevölkerungsrückgang geprägte Städte wie Weißwasser, Hoyerswerda, Guben oder Forst werden gemeinhin nicht für Best-Practice in der Stadtentwicklung herangezogen, doch kann genau aus diesen Städten – und von den dort aktiven Akteuren – gelernt werden, wie Stadtentwicklung unter Postwachstums-Bedingungen aussehen kann. Die ostdeutschen Transformationsregionen haben in den letzten Jahrzehnten einen beschleunigten demographischen Wandel erlebt und können daher als Vorreiter für den Umgang mit diesen Veränderungen gelten. Sie zeigen nicht nur, wie eine Gesellschaft mit weniger Wachstum aussehen könnte, sondern auch, wie sie gleichzeitig die Chancen der Digitalisierung nutzen kann. So lassen sich aus ihren Erfahrungen wichtige Erkenntnisse gewinnen, die auch für andere ländliche Gebiete und Kommunen in Deutschland und Europa von Bedeutung sein könnten.
Forschungsmethode: Willkommenssalons
Im Projekt „Willkommenssalons“ wurde eine qualitative Untersuchung durchgeführt, die auf moderierten Erzähl- und Austauschformaten basiert. Rückkehrende hatten in den Salons die Möglichkeit, ihre persönlichen Geschichten, Beweggründe und Erfahrungen zu teilen. Diese Gespräche boten Einblicke in ihre Perspektiven und halfen, Annahmen zur Rückkehr zu überprüfen, Bedarfe zu identifizieren und Handlungsansätze zu entwickeln.
Die Methode des „Erzählsalons“ schafft einen geschützten Raum, in dem persönliche Geschichten wertfrei erzählt werden können. Zentral war eine Atmosphäre des Respekts, die das Erzählen als Erkenntnisquelle und das aktive Zuhören förderte. Die Willkommenssalons fanden 2024 in Spremberg und Zeitz statt, mit Teilnehmenden unterschiedlicher Altersgruppen und Rückkehrhintergründe. Leitfragen strukturierten die Salons, und ergänzende Methoden wie Zeitstrahlarbeiten halfen, die Erzählungen systematisch zu dokumentieren. Die Ergebnisse wurden durch qualitative Online-Umfragen und Inhaltsanalysen ergänzt. So konnten umfassende Erkenntnisse über Rückkehrmotive, Herausforderungen und Potenziale gewonnen werden, die als Grundlage für die Entwicklung gezielter Handlungsempfehlungen dienen.
Magazin zum download (pdf, 4 MB, nicht barrierefrei)
Herausgeber, Wissenschaftliche Begleitung: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Kompetenzzentrum Regionalentwicklung, Dr. Anika Noack, Dr. Marian Günzel
Gestaltung: Jan Wirth, Jakob Straub
Fotos der Mitwirkenden aus Zeitz: Regentaucher Fotografie
Fotos der Mitwirkenden aus Spremberg: Tine Jurtz